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23.06.2023: EuGH-Urteil zur wöchentlichen und täglichen Ruhezeit
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit einer aktuellen Entscheidung zur wöchentlichen und täglichen Ruhezeit Unruhe und Diskussionen in das österreichische Arbeitszeitrecht gebracht (ebenso auch in vielen anderen EU-Staaten). Lesen Sie mehr…
Urteil des EuGH
Im Urteil des EuGH vom 02.03.2023 (zu einem Fall aus Ungarn) heißt es ausdrücklich, dass
- vor der wöchentlichen Ruhezeit jedenfalls auch die tägliche Mindestruhezeit von 11 Stunden gewährt werden muss,
- die tägliche Ruhezeit und die wöchentliche Ruhezeit aufgrund unterschiedlicher Zwecke getrennt voneinander zu sehen sind, und zwar auch dann, wenn die wöchentliche Ruhezeit im nationalen Recht ohnehin großzügiger als im EU-Recht geregelt ist (so wie z.B. in Österreich 36 Stunden, während die Mindestdauer nach EU-Recht nur 24 Stunden beträgt).
Tägliche Ruhezeit steht zusätzlich zur wöchentlichen Ruhezeit zu
Jeder Arbeitnehmer:in muss nach einer Arbeitsperiode sofort eine tägliche Ruhezeit erhalten, und zwar unabhängig davon, ob sich an diese Ruhezeit eine Arbeitsperiode anschließt oder nicht. Werden die tägliche und die wöchentliche Ruhezeit zusammenhängend gewährt, darf die wöchentliche Ruhezeit erst dann beginnen, wenn der Arbeitnehmer:in die tägliche Ruhezeit in Anspruch genommen hat. Die tägliche Ruhezeit von mindestens 11 Stunden kommt somit zur wöchentlichen Ruhezeit hinzu, auch wenn sie dieser unmittelbar vorausgeht. Dies gilt auch dann, wenn die nationalen Rechtsvorschriften den Arbeitnehmern eine wöchentliche Ruhezeit vorsehen, die länger ist als die unionsrechtlich vorgegebenen 24 Stunden.
Die tägliche Ruhezeit und die wöchentliche Ruhezeit sind zwei autonome Rechte, mit denen unterschiedliche Ziele verfolgt werden. Die tägliche Ruhezeit ermöglicht es dem Arbeitnehmer, sich aus seiner Arbeitsumgebung zurückziehen. Die wöchentliche Ruhezeit ermöglicht es dem Arbeitnehmer, sich pro Siebentageszeitraum auszuruhen.
Folglich ist den Arbeitnehmern die tatsächliche Inanspruchnahme beider Rechte zu gewährleisten. Die tägliche Ruhezeit ist nicht Teil der wöchentlichen Ruhezeit, sondern steht zusätzlich zu. Daher muss die tägliche Ruhezeit unabhängig von der Dauer der in der anwendbaren nationalen Regelung vorgesehenen wöchentlichen Ruhezeit gewährt werden.
Konsequenzen des EuGH-Urteils
Nach derzeit überwiegender Ansicht bedeutet dies, dass Arbeitnehmer künftig einmal pro Woche Anspruch auf insgesamt 47 Stunden (11 Stunden tägliche Ruhezeit + 36 Stunden wöchentliche Ruhezeit) statt bisher bloß 36 Stunden Ruhezeit haben.
Für Betriebe, in denen (nur) von Montag bis Freitag gearbeitet wird, spielt das naturgemäß keine Rolle. Betroffen sind aber beispielsweise viele Betriebe im Handel, im Hotel- und Gastgewerbe sowie in anderen Branchen mit regelmäßiger Samstagsarbeit.
Beispiele
1) Endet der Dienst eines Angestellten am Samstag um 13:00 Uhr, darf er laut EuGH-Urteil frühestens am Montag um 12:00 Uhr wieder zum Dienst eingeteilt werden (11 Stunden tägliche Ruhezeit plus 36 Stunden wöchentliche Ruhezeit = 47 Stunden).
2) Endet der Dienst eines Angestellten am Samstag um 18:00 Uhr, darf er laut EuGH-Urteil frühestens am Montag um 17:00 Uhr wieder zum Dienst eingeteilt werden (11 Stunden tägliche Ruhezeit plus 36 Stunden wöchentliche Ruhezeit = 47 Stunden).
Gegenansichten zum EuGH-Urteil
Eine von manchen Arbeitgebervertretern ins Treffen geführte Gegenansicht versucht offenbar zu „retten, was zu retten ist“ und meint, dass die EuGH-Entscheidung Österreich gar nicht betreffe. Argumentiert wird damit, dass die Bestimmungen zur täglichen und wöchentlichen Ruhezeit (im Arbeitszeitgesetz bzw. Arbeitsruhegesetz) schon vor dem EU-Beitritt (1995) bestanden hätten und seither unverändert geblieben seien. Dabei handelt es sich allerdings um eine Minderheitsmeinung, für die naturgemäß keine Gewähr übernommen werden kann. Die Folge ist leider wieder einmal eine hohe Rechtsunsicherheit.
Als weitere Gegenansicht (Hoffnung) verbleibt, dass der österreichische Gesetzgeber rasch reagieren wird. So wäre z.B. denkbar, die wöchentlichen Mindestruhezeit im Arbeitsruhegesetz von 36 auf 25 Stunden zu reduzieren (somit immer noch eine Stunde länger als der EU-Mindeststandard), wodurch im Ergebnis die tägliche und die wöchentliche Ruhezeit gemeinsam wiederum 36 Stunden ergäben. Realistisch betrachtet erscheint eine solche Gesetzesänderung allerdings angesichts der Blockadehaltung einiger Institutionen (z.B. der Gewerkschaft) sehr schwierig.
Quelle bzw. weiterführende Informationen finden Sie unter:
Seminarunterlagen von Steuerberater Mag. Rainer Kraft („Steuersprechtag – Aktuelles aus der Personalverrechnung per 21.06.2023“)
Obige Ausführungen stellen allgemeine Informationen zum Thema des jeweiligen Newsletters dar (Ausführungen ohne Gewähr) und können deshalb ein persönliches Beratungsgespräch keinesfalls ersetzen. Zögern Sie deswegen nicht uns bei Fragen oder Unklarheiten zu kontaktieren! Ihr Team der Steuerberatung Illmer und Partner – Die kompetente Beratung in Landeck.
Stand: 23.06.2023
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